Jedes Frühjahr wiederholt sich das Ritual: große europäische Konzerne geben bekannt, wie viel Dividende sie an Anleger ausschütten. Für viele Aktionäre stellt sich im Zuge dessen die Frage: „Soll man Aktien vor oder nach der Dividendenzahlung kaufen?“ Der Gedanke: wird die Aktie vor der Dividendenauszahlung erworben, erhalten Anleger gleich ein gutes Stück Rendite. Die Rechnung geht allerdings nicht wirklich auf, weil die Kurse nach der Zahlung korrigiert werden.
Was ist eine Dividende und wie wirken sich Zahlungen aus?
Wer Aktien erwirbt, wird automatisch Teilhaber eines Unternehmens. Als solcher haben Besitzer von Stammaktien einen Anspruch darauf, Teile des Unternehmensgewinns ausgeschüttet zu bekommen. Wie hoch die Dividendenausschüttung ist, wird auf der jährlichen Hauptversammlung (HV) bekannt gegeben. Der jeweilige Konzern zahlt die Dividenden anschließend auf das Konto des Wertpapierinhabers aus bzw. legt den Gewinn automatisch in neue Aktien an.
Wer Aktien also einen Tag vor der Hauptversammlung kauft, erhält direkt eine Dividende? Ja und Nein. Es stimmt, dass Anleger dazu berechtigt sind die Dividende zu kassieren, auch wenn sie lediglich einen Tag lang Teilhaber des Unternehmens waren. Allerdings sind künftige Dividenden bereits im heutigen Kurs eines Wertpapiers berücksichtigt. Durch regelmäßige Gewinnprognosen und Absatzberichte stellt sich innerhalb eines Jahres schnell heraus, wie hoch die Dividendenausschüttung für das Geschäftsjahr ausfallen wird. Je näher die Hauptversammlung rückt, desto mehr von der erwarteten Rendite ist daher im Kaufkurs einer Aktie enthalten.
Am sogenannten Ex-Tag – dem Tag nach der Hauptversammlung – fällt der Aktienkurs in der Regel. Der Kursverlust entspricht dabei nicht exakt der Dividendenrendite, weil der Kurs weiterhin vom allgemeinen Marktgeschehen beeinflusst wird. Dennoch drückt die Dividende den Aktienpreis.
Beispiele aus der Praxis
Das Phänomen der Kursverluste am Tag nach der Hauptversammlung konnte in der Praxis bereits häufig beobachtet werden. Die deutsche Verbraucherorganisation finanztip.de hat entsprechende Berechnungen für die Dax-Unternehmen Bayer, Telekom und Siemens durchgeführt:
Bayer
Jahr | Dividende in Euro | Dividendenrendite am Tag der HV | Kursverlust am Ex-Tag in Prozent | Kursverlust am Ex-Tag in Euro |
2013 | 2,10 | 2,07 % | 1,42 % | 1,51 |
2012 | 1,90 | 2,34 % | 1,49 % | 1,15 |
2011 | 1,65 | 2,98 % | 3,72 % | 2,06 |
Siemens
Jahr | Dividende in Euro | Dividendenrendite am Tag der HV | Kursverlust am Ex-Tag in Prozent | Kursverlust am Ex-Tag in Euro |
2014 | 3,30 | 3,30 % | 0,55 % | 0,07 |
2013 | 3,00 | 3,03 % | 8,28 % | 0,80 |
2012 | 3,00 | 3,58 % | 8,08 % | 0,69 |
Telekom
Jahr | Dividende in Euro | Dividendenrendite am Tag der HV | Kursverlust am Ex-Tag in Prozent | Kursverlust am Ex-Tag in Euro |
2013 | 0,5 | 3,96 % | 0,55 % | 0,07 |
2012 | 0,7 | 7,25 % | 8,28 % | 0,80 |
2011 | 0,7 | 8,20 % | 8,08 % | 0,69 |
Die Beispiele zeigen, dass sich der Kauf von Aktien vor der Hauptversammlung in der Regel nicht lohnt. Zwar erhalten die Aktionäre teilweise recht hohe Dividenden von bis zu 8,20 Prozent, müssen aber am nächsten Tag Kursverluste in eben dieser Höhe verkraften. Insofern ist es wenig sinnvoll, auf Dividendenjagd zu gehen.
Dennoch kommt der Dividende an sich natürlich ein hoher Stellenwert bei Anlageentscheidungen zu. Sie macht einen Großteil der Rendite aus und kann langfristig für einen enormen Wertzuwachs im Portfolio sorgen. Anleger können im Rahmen sogenannter Dividendenstrategien Anteile von Unternehmen kaufen, die regelmäßig besonders hohe Gewinnausschüttungen an ihre Aktionäre durchführen.
Steuerliche Aspekte beachten
Der Kauf von Aktien vor der Dividendenausschüttung kann nicht nur aufgrund von Kursverlusten zum Nullsummenspiel werden. Im schlimmsten Fall müssen Anleger sogar mit Verlusten rechnen, weil auf die ausbezahlten Dividenden direkt Steuern erhoben werden. Die sogenannte Quellensteuer für Dividenden wird dabei in der Regel im jeweiligen ausländischen Staat erhoben und entzieht sich damit dem Einflussbereich der österreichischen Finanzbehörden.
Ausländischen Konzerne – etwa der Telekom, Siemens oder Bayer – behalten die Steuerzahlungen direkt ein. Je nach Herkunftsland des Unternehmens liegt die Quellensteuer zwischen 10 und 35 Prozent. Gleichzeitig müssen die erwirtschafteten Erträge aber auch noch in Österreich mit der Kapitalertragssteuer (KESt) besteuert werden. Ausländische Quellensteuer lässt sich dabei maximal bis zu einer Höhe von 15 Prozent auf die österreichische KESt anrechnen. Der überschüssige Betrag muss im Ausland rückerstattet werden, was teils mit einem gewissen bürokratischen Aufwand verbunden ist.
Fazit: Aktie nach Dividendenzahlung kaufen
Die sogenannte Dividendenjagd zu betreiben ist zumindest auf kurze Sicht wenig sinnvoll. Grundsätzlich erhalten Anleger zwar die komplette Jahresdividende, wenn sie einen Tag vor der Hauptversammlung eine Aktie kaufen. Allerdings sinkt der Kurs des Wertpapiers am Folgetag um genau den Wert, der als Dividende ausbezahlt wurde – ein Nullsummenspiel also. Hinzu kommt, dass auf Dividenden Steuern bezahlt werden müssen, auf reine Kursgewinne hingegen erst beim Verkaufszeitpunkt. Handelt es sich um ausländische Aktien, so kann die Rückerstattung der ausländischen Quellensteuer sowie die Verrechnung mit der österreichischen KESt schnell unübersichtlich werden. Daher ist es nicht sinnvoll, Aktien vor der Dividendenzahlung zu kaufen. Vielmehr sollten Wertpapiere zu einem Zeitpunkt gekauft werden, an dem ein Indikator wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder persönliche Anlageentscheidungen darauf hindeuten.